elektrische Bahnen

elektrische Bahnen
elẹktrische Bahnen,
 
mit Fahrleitung (Oberleitung oder Stromschiene) ausgerüstete Bahnen, die ihre elektrische Energie über Unterwerke aus einem Bahnstromnetz oder über Umformer- oder Gleichrichterwerke aus einem öffentlichen Netz beziehen. Elektrifizierte Eisenbahnen (elektrische Vollbahnen) werden in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Norwegen und Schweden mit Einphasenwechselstrom betrieben, seit 1912 einheitlich mit 15 kV Fahrdrahtspannung und 162/3 Hz Frequenz. Dieser Wert (1/3 von 50 Hz) wurde gewählt, weil die Konstruktion der Lokomotivmotoren damals zur Herabsetzung der Frequenz zwang, andererseits das Bahnstromsystem beim Frequenzverhältnis 1:3 gut mit der Landesversorgung gekuppelt werden konnte. Die elektrische Energie erzeugen Bahnstrommaschinen in Wärme- oder Wasserkraftwerken, außerdem kann Bahnstrom über Netzkuppelumformer aus den öffentlichen Drehstromnetzen bezogen werden. Das Bahnstromnetz (Spannung in Deutschland und Österreich 110 kV, in der Schweiz 132 oder 66 kV, Möglichkeit des Energieaustauschs wird ständig genutzt) bringt die Energie zu den Unterwerken, in denen sie auf die Fahrdrahtspannung transformiert und in die Oberleitung eingespeist wird; über Stromabnehmer gelangt sie in die Triebfahrzeuge, durch die Fahrschienen und die Erde ins Unterwerk zurück. Neben dieser zentralen Bahnstromversorgung besteht in Mecklenburg-Vorpommern ein dezentrales System mit Speisung der Oberleitung aus den öffentlichen Netzen über Umformer. Bei Neuelektrifizierung wird meist Wechselstrom aus den öffentlichen Netzen (50 oder 60 Hz) verwendet, um eine besondere Bahnstromversorgung zu sparen. Der Einphasenstrom aus der Oberleitung wird in den Triebfahrzeugen gleichgerichtet und heute vielfach in Drehstrom mit stufenlos veränderbarer Spannung und Frequenz umgewandelt. Damit können in den elektrischen Lokomotiven Drehstrom-Induktionsmotoren verwendet werden.
 
Andere Länder benutzten zur Elektrifizierung schon um 1900 Gleichstrom; noch heute werden damit auch in Europa umfangreiche Vollbahnnetze betrieben: in Großbritannien mit 750 V, in Frankreich und den Niederlanden mit 1,5 kV, in Belgien, Italien, Spanien und Russland mit 3 kV. Wegen der geringen Fahrleitungsspannung verursachen Gleichstrombahnen höhere Leitungsverluste und erfordern Stromeinspeisung in kurzen Abständen.
 
Straßenbahnen und Stadtbahnen fahren in der Regel mit Gleichspannung (500-750 V) aus Oberleitungen, U-Bahnen (750-1 500 V) meist aus Stromschienen, ebenso die S-Bahnen in Berlin (800 V) und Hamburg 1 200 V).
 
 
Die erste elektrische Bahn errichtete Werner Siemens 1879 auf der Gewerbeausstellung in Berlin (150 V Gleichspannung). Danach wurden zunächst Straßenbahnen für elektrischen Betrieb eingerichtet, die erste 1884 in Lichterfelde (heute zu Berlin). Als erste Vollbahn elektrifizierte die Baltimore & Ohio Railroad (USA) 1895 einen Tunnelabschnitt in Baltimore (650 V Gleichspannung). Erste elektrische Untergrundbahnen fuhren 1890 in London, 1896 in Budapest. Mit Einphasenwechselstrom (5 kV/16 Hz) wurde als Erste 1904 die Strecke Murnau-Oberammergau elektrifiziert. Danach entstanden in Deutschland elektrisch betriebene Strecken in Baden, Bayern, Mitteldeutschland und im heute größtenteils zu Polen gehörenden Schlesien. Nach 1945 wurde das elektrifizierte Netz weiter ausgebaut. Es umfasst heute (1995) bei der Deutschen Bahn AG 18 164 km Länge. In Österreich bestehen 3 308 km elektrifizierte Strecken und in der Schweiz 5 036 km, davon 2 030 km bei Privatbahnen.
 
 
H.-H. Schaefer: Elektrotechn. Anlagen für Bahnstrom (1981);
 H. Kraus: Grundlagen elektrischer B. (1986);
 Ž. Filipović: E. B. (31995).
 
EB Elektr. Bahnen (1925 ff., Ztschr.).
 
Weitere Literatur: Eisenbahn, Lokomotive, Triebwagen.

Universal-Lexikon. 2012.

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